Warum beschwören die Angstmacher in dieser Republik wegen der Flüchtlinge so erfolgreich den Untergang des Abendlandes? Wilfried Schmickler hat in seiner Kölner Wahlheimat eigene Nachforschungen zu dem Thema unternommen und festgestellt, dass sich die Frage im Alltag gar nicht stellt. Sondern nur im Wahlkampf. Am Samstagabend rechnete er vor den 360 Besuchern im vollen Bürgersaal des Bestwiger Rathauses mit den Angstmachern ab.
Zeitschriftenhändler Umit hat den Untergang des Abendlandes nicht im Angebot: „Aber ich kann ihn gerne bestellen.“ Die Änderungsschneiderin Frau Dardei aus dem Irak sagt, sie könne keine Aufträge mehr annehmen – „sie müsse noch auf eine Demonstration gegen den islamistischen Terror.“ Und Thorsten aus der Lotto-Annahmestelle erklärt, dafür habe er keine Zeit „weil 340 Millionen Euro im Jackpot sind und mir die Leute die Bude einrennen.“
Die Flüchtlinge nehmen uns nichts weg - aber die Banken
Angst? Fehlanzeige. Warum auch? „Die Flüchtlinge nehmen uns nichts weg. Wohl aber die Banken. Die Unternehmen, die keine Steuern zahlen. Schmarotzer und Wirtschaftsflüchtlinge“, wettert Schmickler. Es sei völliger Unsinn, Angst zu haben: „Wovor? Vor Bombardierungen, vor Hungersnöten, vor Seuchen? Bevor ich Opfer eines Terroranschlages werde, verrecke ich in einer Karambolage am Ende eines Staus auf der A1.“
Hochgerechnet seien während der vergangenen beiden Jahre vielleicht eine Million Flüchtlinge ins Land gelangt. „Na und? Wenn 80 Leute in einer Kneipe sind und einer dazu kommt, kann doch nicht von Überfüllung die Rede sein“, so Schmicklers anschauliche Rechnung.
Deshalb zeigte sich der Kabarettist auch nicht geneigt, sich der „Sorgen“ der Nazis anzunehmen. „Was fürchten die Dregidas in Dresden und die Tratra-Gidas in Traben-Trabach?“ Es gebe andere Sorgen die man ernst nehmen muss, wie Schmickler unter lautstarkem Applaus verkündete: Kinderarmut zum Beispiel oder den Wohnungsmangel.
Gehört der Köttbullar zu Deutschland?
Bei der Frage, wer oder was zu Deutschland gehöre, könne man ebenso über den Köttbullar diskutieren: „Was ist der Köttbullar in Wahrheit? Was sind die substanziellen Grundlagen, die dieses allerletzte Glied in der Nahrungskette ausmachen? Schwein? Rind? Pferd? Elch? Die Wahrheit kennt kein Mensch, außer dem Propheten des globalen Köttbullarismus, Ingvar Feodor Kamprad aus Församlinig.“ Aber der Ikea-Gründer habe ja nun auch den Imbus abgegeben.
Ganz wesentlich trügen zu der Stimmungsmache gegen Überfremdung die sozialen Medien bei: „Denn es gibt unter der untersten Schublade noch einen digitalen Raum, in dem sich die zu Wort melden, die alles verloren haben: die Hemmungen, den Anstand und den Respekt.“
Versteckt in digitalen Rollenspielen
Schmickler hadert mit dieser digitalen Welt, in der das Menschliche zusehends verloren geht: „Ich kenne Leute, die gehen gar nicht mehr vor die Tür, sondern hocken nur noch vor dem Computer und machen irgendwelche Rollenspiele, in denen sie vorgeben, jemand zu sein, der sie sein wollen, aber gar nicht sind, in einer Welt, die es eigentlich gar nicht gibt, in der sie dann tun, was sie tun würden, wenn sie der wären, der sie vorgeben zu sein.“
Absurd sei auch der Online-Handel, bei dem sich manche einen ganzen Kleiderschrank zu Anprobe bestellen und dann nach „Einmal Tragen“ wieder alles zurückschicken: „Es soll ja Pläne geben, den gesamten Versandhandel in die Kanalisation zu verlegen. In Zukunft brettern die Lieferanten mit Schutzanzug und Gasmaske in eigens konstruierten Amphibien-Transportern durch die Abwasserrohre und an jedem Gullydeckel wird angehalten und ausgeliefert.“
Brutaler Sarkasmus und feine Ironie
Das macht Schmicklers Programme aus: Die Balance zwischen offensichtlichem Sarkasmus und feinsinniger Ironie. Er kann seiner Wut lautstark Luft verschaffen und sagt doch vieles zwischen den Zeilen. Mal wirkt seine Sprache brachial, mal spielt er mit der Doppeldeutigkeit der Worte: „Warum müssen wir ständig online sein? Warum müssen wir alle Geräte miteinander vernetzen? Ich möchte nicht, dass mein Wasserkocher ein Verhältnis mit meinem Kronleuchter hat. Irgendwann komme ich mal nach Hause und dann sind die beiden weg: Durchgebrannt!“
Und so schließt sein Abend typischerweise mit einer lyrisch anmutenden Mahnung an unsere Wohlstandsgesellschaft – mit der letzten Lesung aus dem letzten Brief des letzten Apostels an die Leviten. Darin heißt es unter anderem: „Eure Schuld wird Euch nicht vergeben, denn weil Ihr Euren hoffnungslos verschuldeten Schuldigern die Schulden nicht erlasst, sondern sie auspresst bis auf den letzten Tropfen Blut.“
Das Letzte ist noch nicht das Letzte
Der Tournee-Titel „Das Letzte“ verrät ja schon, was Schmickler von vielen aktuellen Entwicklungen hält. Sein letztes Programm soll das aber noch nicht gewesen sein. Das Publikum darf sich also schon auf ein Wiedersehen mit einem der letzten großen Politik-Kabarettisten in Bestwig freuen. Am Samstag verabschiedete es den Künstler live und mit lang anhaltendem, analogem Applaus.
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