"Das gibt doch Mut für den Winter"

Jürgen Becker hadert in Bestwig vor 150 Zuschauern mit der Zukunft - und hofft auf die Gegenwart

Fast 160 Zuschauer kamen am Samstagabend zur Vorstellung des Kabarettisten Jürgen Becker ins Bestwiger Bürger- und Rathaus. Das war eine gute Nachricht. Denn der Vorverkauf lief - offenbar durch die Corona-Erfahrungen bedingt - bis wenige Tage vorher verhalten, zog dann aber noch einmal an. Und gute Nachrichten trug der Kabarettist auch auf der Bühne vor. Die wichtigste: Es ist nicht zu spät, die Welt zu ändern. Jeder kann dafür etwas tun.

Egal, ob Kultur, Politik, Einzelhandel oder Bildung: Das Corona-Virus hat viele Bereiche ausgebremst. Und das macht den Titel des Programms von Jürgen Becker umso aktueller. "Die Zukunft war auch schon mal besser." Dennoch müsse uns die keine Angst machen. Becker zitierte zum Beispiel eine Studie, nach der die Finnen das glücklichste Volk der Erde sind. "Das heißt: Glück hat nichts mit Temperatur zu tun. Das macht doch Mut für den Winter."

Auch früher war nicht alles besser

Und wenn man in die Vergangenheit sehe, müsse man feststellen, dass nicht immer erfüllender war.  "Wissen Sie, welche Freizeitbeschäftigung die Deutschen in den 50er Jahre als ihre liebste angegeben haben?", fragte der Kabarettist sein Publikum. Autos? Mofas? Fußball? Niemand kam darauf. "Nein", grinste Becker: "Das größte Hobby der Deutschen war es, aus dem Fenster zu gucken. Heute haben wir dafür Windows auf dem Computer."

Das Homeoffice trage dazu bei, sich zunehmend von der Technik vereinnahmen zu lassen: "Das macht uns krank. Die Arbeit ist immer da, der Rechner immer bereit. Das ist so, als wenn der Metzger abends nach Hause kommt und da liegt noch ein Schwein auf dem Sofa." Und auch das Handy ist in Beckers Augen schon zu einem Bestandteil des Körpers geworden: "Ohne Smartphone ist man nicht mal geimpft." Becker meinte, viele hätten während der Pandemie erst begriffen, dass es Viren nicht nur im Computer gebe.

Viel Geld für Partnersuche und Ayurveda

Inzwischen investierten die Menschen hunderte von Euro in Parship, um sich attraktiv darzustellen und eine Partnerin oder einen Partner zu finden. "Früher reichten dafür 20 Mark. Damit hat man sich dann gegenseitig schön gesoffen. "In den ersten Publikumsreihen fand der Kabarettist bestätigende Blicke. "Aha, ich sehe, einige nicken hier."

Auch für Ayurveda-Behandlungen, bei denen man sich mit Öl beträufeln lässt, geben Menschen schnell mal 100 Euro aus: "Die hatte ich früher für zehn Mark. Beim Ölwechsel unter dem Auto."

Und wofür kauft der Deutsche 60 Kleidungsstücke im Jahr? "Zwei Drittel davon zieht er noch nicht mal an", so Jürgen Becker. Das sei umso beschämender, wenn man bedenke, dass Sklavenarbeiter in fernen Länder extra Löcher in die Hosen machen, weil das bei uns Mode ist. "Früher hatten wir die Omas, die die Löcher aus den Hosen wieder raus gemacht haben. Weil nichts weggeschmissen wurde."

Bei diesem Konsumveralten dürfe es nicht wundern, dass der Hausarzt inzwischen rektale Ozontherapien für 600 Euro oder einen Gehirnfunktionstest für 800 Euro im Angebot habe. "Das ist doch Quatsch. Bei dem, der dafür 800 Euro bezahlt, funktioniert das Gehirn doch sowieso nicht mehr."

Eine Arschkarte für den Arzt

Gleichzeitig versucht man auf dem Land die Telemedizin einzuführen, obwohl da kein Internet funktioniert. "Wenn sie Hämorrhoiden haben und dem Doktor ein Bild schicken wollen, müssen Sie sich schon mit dem nackten Arsch aufs Fax setzen. Oder ihm eine Arschkarte schicken."

Und die Krankenhäuser seien durch Fallpauschalen dazu gezwungen, Englische Entlassungen durchzuführen - "also noch blutig". Denn je kürzer der Patient verweilt, desto größer der Gewinn. 36.000 Pflegeplätze sind allein von 1994 bis 2014 abgebaut worden. Eine Schwester oder ein Pfleger müssen hierzulande zehn Patienten versorgen, in Norwegen aber nur drei, so Becker: "Und dann sterben in Deutschland auch noch 20.000 Menschen an Krankenhauskeimen. Weil die Sklaven in der Reinigung für immer weniger Geld immer mehr putzen sollen."

Dieser Wachtums- und Effizienzwahn müsse ein Ende haben, befand der Rheinländer. "Die BWLer meinen, wir bräuchten jedes Jahr drei Prozent Wachstum. Das würde aber bedeuten, dass wir bis 2040 doppelt so viel Autos kaufen, fliegen und Bier trinken müssen." Doch nur beim Biertrinken gingen die Meinungen auseinander, ob sich der Versuch vielleicht lohne.

Auch das Kleingedruckte lesen

Zwar lehre schon die Heilige Schrift "Macht Euch die Erde Untertan - doch steht da ebenfalls, dass man die Erde wie einen Garten bestellen soll. Man muss eben auch das Kleingedruckte lesen und darf von der Bibel keine Wunder erwarten."

Jürgen Becker hofft noch darauf, dass jemand ein neues Gesellschaftsmodell entwirft, das nicht auf Maximierung und zunehmenden Wohlstand aus sei, sondern vor allem auf das Gemeinwohl. Am Samstagabend lieferte er dafür Ansätze. Die habe er auch seinem Hausarzt vorgestellt. "Da hatte er gleich ein Angebot für mich parat: einen Gehirnfunktionstest."

Der Abend endete wie in Vor-Corona-Zeiten: Mit Erleichterung, Lachen, viel Applaus und einem Kölsch - vom Künstler persönlich überreicht. Und Jürgen Becker versicherte: Das soll auch in Zukunft so bleiben.

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